Der deutsche Sonderweg

Biografie einer intellektuellen Figur

Bearbeiterin
Dr. Franka Maubach

Kurzbeschreibung
In den letzten Jahren hat die Vorstellung eines negativen „deutschen Sonderwegs“, der über Schlüsselstationen der preußisch-deutschen Geschichte schließlich in den Nationalsozialismus führte, an Plausibilität eingebüßt. Zuletzt zeigte die Debatte zum runden Gedenken an den Kriegsausbruch 1914, dass transnationale und nicht-teleologische Deutungsmuster – in einer interessanten Verschränkung – inzwischen deutlich dominieren. Diese Diagnose bietet Anlass, die Ausprägung der Deutungsfi gur des „deutschen Sonderwegs“ genauer in Augenschein zu nehmen – und dies nicht in dekonstruktivistischer, sondern in rekonstruktiver Absicht: mit Interesse an den konstitutiven Bedingungen, die die Frage nach den Wurzeln und Ursachen des Nationalsozialismus nahelegten. Warum und auf welchen Wegen etablierte sich in der Bundesrepublik – als wohl einzigem Land weltweit – seit den sechziger Jahren eine negative Nationalgeschichte, die das Paradigma des Sonderwegs ins Zentrum rückte?
Mit dem Versuch, die Genese und Etablierung dieses Sonderweg-Narrativs zu rekonstruieren, fasst Dr. Franka Maubach in ihrem Habilitationsprojekt weit in die deutsche Geschichte zurück und orientiert sich am Lehrer-Schüler-Verhältnis dreier deutscher Historiker, die – aus verschiedenen Perspektiven und in ganz unterschiedlichen Kontexten – sämtlich maßgebliche Beiträge zur Sonderwegdeutung geleistet haben: Friedrich Meinecke (1862-1954), Hans Rosenberg (1904-1988) und Hans-Ulrich Wehler (1931-2014). Mit dem Fokus auf das Werk dieser drei Wissenschaftler möchte sie die Geschichte des Sonderwegdenkens, eingeordnet in größere diskursive Kontexte, entlang den Lebensgeschichten und Denkentwicklungen seiner bedeutendsten Vertreter erzählen – als Biografie einer intellektuellen Figur. Dabei wird deutlich, dass sich die grundsätzlich negative Perspektive auf die deutsche Geschichte in einem langwierigen Prozess aus ambivalenten Konstellationen herauskristallisierte.
Sie wurde am Beginn des 20. Jahrhunderts, in ihrer konservativen Variante, immer wieder vom klassisch positiven Diskurs deutscher Besonderheit und Exklusivität überlagert (Meinecke), wich im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg regelmäßig dem antideutschen Geschichtsbild der (West-)Alliierten aus (Meinecke, Rosenberg) und setzte sich erst durch, als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine dezidiert westlich orientierte Perspektive wissenschaftlich wie politisch geboten schien (Rosenberg, Wehler).